Nur durch den Mann?
In den Empfängnistheorien kommt oftmals das jeweilige Rollenverständnis von Mann und Frau in der Gesellschaft zum Ausdruck. Es dürfte schwer sein, eine moderne westliche Frau zu finden, die bereit wäre, die Theorie zu akzeptieren, dass sie an der Entstehung des Kindes in ihrer Gebärmutter keinen Anteil gehabt habe, und dennoch haben die Europäer über Tausende von Jahren genau das geglaubt. Als Hippokrates, der große Arzt der alten Griechen, behauptete, dass aus dem Monatsblut, das sich während der Schwangerschaft in der Gebärmutter staue, das Fleisch des Kindes entstehe, begehrte Aristoteles entschieden auf: Nur der männliche Samen könne für die Zeugung von Leben verantwortlich sein. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. forderte Galen, ein anderer griechischer Arzt, Aristoteles mit einer brandneuen Theorie heraus: Er glaubte, die Frauen beherbergten vorfabrizierte „Fertig Embryos" in ihrem Uterus. Der in sie ejakulierte Samen sprenge die Hülle, die diesen Embryo umgäbe und ermögliche ihm die Entwicklung zum Kind. Da jedoch niemand so genau wusste, was der Uterus war, und niemand je ein weibliches Fortpflanzungsorgan gesehen hatte, wurde diese Theorie zurückgewiesen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde in der westlichen Welt die Rolle der Frau bei der Empfängnis anerkannt. In einigen Kulturen glauben die Menschen noch heute, dass nur der Mann für die Empfängnis verantwortlich sein kann. Die Frau ist lediglich ein „geliehener Schoß". Bei den Malaien z. B., wo der Mann als das höhere, rationale Wesen gilt, glaubt man, dass das Leben des Kindes im Gehirn des Mannes beginnt. Dort entwickelt sich der Fötus vierzig Tage, bevor er in den Penis des Vaters herabsinkt, um während des Geschlechtsverkehrs in den dunklen, erdigen Schoß der Mutter geschleudert zu werden.
